Neugestaltung des Blautopfareals

„Mit Behutsamkeit und Entscheidungsfreude“ –
Bürgermeister Jörg Seibold über den weiteren Planungsprozess

Der Prozess zur Neugestaltung des Blautopfareals begann 2016 mit einem breit angelegten bürgerschaftlichen Beteiligungsprozess. Es folgten eine umfassende städtebauliche Bestandsaufnahme und eine europaweite Auslobung für einen entsprechenden Gestaltungsentwurf sowie die Auswahl eines Siegerentwurfes. Bis Ende 2022 soll eine detaillierte, genehmigungsfähige Planung stehen.

Wir haben mit Bürgermeister Jörg Seibold über die besondere Anziehungskraft des Blautopfs sowie über die Herausforderungen und Chancen der Neugestaltung des gesamten Areals gesprochen. Dabei hat er uns auch verraten, worauf er sich am meisten freut, wenn er an das künftige Blautopfareal denkt.

Herr Seibold, die Neugestaltung des Blautopfareals beschäftigt die Stadt Blaubeuren ja bereits seit einiger Zeit. Warum liegen Ihnen dieses Projekt und der Blautopf so am Herzen?

Seibold: Wir Blaubeurer Bürgerinnen und Bürger identifizieren uns stark mit dem Blautopf – unabhängig davon, in welchem Ortsteil wir wohnen. Schließlich nennen wir uns ja „Blautopfstadt“ und eben nicht „Urgeschichtsstadt“ oder „Weltkulturerbestadt“ – obwohl wir das ja ebenso könnten.
Der Blautopf stellt einen integralen Bestandteil der Blaubeurer DNA dar, mit der Quelle als emotionalem Bezugspunkt und sozialem Treffpunkt gleichermaßen. Zudem ist der Blautopf natürlich unheimlich faszinierend. Die Mythen, die darum gesponnen werden, aber auch die Forschungen am Höhlensystem ziehen Gäste und eben vor allem auch Bürgerinnen und Bürger Blaubeurens an.

                                                              
Wie lange begleitet Sie das Projekt „Blautopfareal“ schon?

Seibold: Als Bürgermeister in Blaubeuren hat man den Blautopf natürlich immer allgegenwärtig und fest im Blick. Deshalb beschäftige ich mich mit der Quelle eigentlich schon seit ich 2002 ins Amt kam: Ich erinnere mich, dass damals noch direkt vor dem Blautopf geparkt werden durfte – heute undenkbar! Ich habe damals mitiniziiert, dass statt der Parkplätze ein Gastronomiebetrieb die Aufenthaltsqualität an der Quelle steigert.
Die kritische und umfassende Betrachtung des Areals hat dann im Vorfeld des Bürgerbeteiligungsprozesses im Jahr 2016 begonnen. Seitdem arbeiten wir sehr strukturiert und mit einer klaren Zielvorgabe an der Umgestaltung.

Ein solcher Prozess bringt natürlich auch einige Unwägbarkeiten mit sich – wo sehen Sie bei der Neugestaltung des Blautopfareals die größten Herausforderungen?

Seibold: Unser Ziel ist es, im direkten Umfeld der Quelle das zu bewahren, was bewahrenswert ist und das zu schützen, was schützenswert ist. Es soll aber eben auch das geändert werden, was nicht oder nicht mehr funktioniert.
Und genau das ist gar nicht so einfach: Während der eine nach Entspannung in der Natur sucht, möchte die andere eine touristische Attraktion erleben. Gleichzeitig ist der Blautopf auch zentraler Bestandteil des Stadtgefüges der Altstadt und damit in der alltäglichen Nutzung auch wichtig für Bürgerinnen und Bürger. Das Areal ist darüber hinaus auch schlicht eine Durchfahrt für das dahinterliegende Wohnquartier. Es ist ein Veranstaltungsort für Kultur, z.B. die Sommerbühne und gleichzeitig wohnen auch im direkten Umfeld des Blautopfquartiers Menschen. Es gibt also viele unvermeidbare Zielkonflikte, die durchdacht werden müssen. Daher ist es wichtig, das Areal mit Behutsamkeit und Entscheidungsfreude neu zu gestalten.

Während des Prozesses legen Sie großen Wert auf die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger. Warum?

Seibold: Ich habe ja gerade von den vielen verschiedenen Anforderungen an das Blautopfareal gesprochen und genau hier setzt die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an. Bürgerschaftliche Beteiligung bietet die Chance, unterschiedliche Aspekte, Haltungen, Kompetenzen einzubinden, eigene Ansichten zu vertreten – aber eben auch die Perspektiven und Haltungen des Gegenübers anzunehmen und zu akzeptieren. Das ist die Basis für eine gemeinsame Arbeit, die nicht darauf beschränkt bleiben kann, ausschließlich eigene Haltungen als gültig anzuerkennen oder nur auf Probleme hinzuweisen. Vielmehr geht es darum, in einem nächsten Schritt Lösungsideen zu entwickeln. Und das haben die Bürgerinnen und Bürger, die sich beteiligt haben, wirklich sehr gut gemacht. Sie haben die Basis für einen sehr erfolgreichen Ideenwettbewerb erarbeitet.
Zudem geht es ja um Blaubeuren. Das ist mir wichtig, denn wir machen das für uns! Das ist kein touristisches Programm, deshalb wurden die Bürgerinnen und Bürger eingeladen – und eben nicht Touristen befragt.

Der Planungs- und Ideenwettbewerb, der im letzten Jahr stattfand, war nicht nur für das Blautopfareal ausgeschrieben, sondern umfasste beispielweise auch das Gebiet rund um den Stadtpark. Warum?

Seibold: Die Betrachtung geht deshalb über den Blautopf hinaus, weil das Blautopfareal natürlich mit anderen Gebieten in enger Beziehung steht. Ganz deutlich wird das bei verkehrsspezifischen Aspekten, denn die relevanten Wege beginnen ja nicht am Blautopf und enden auch nicht dort– deshalb wollen und müssen wir auch andere angrenzende Quartiere mit einbinden. Allerdings: Während wir beim Blautopfareal, basierend auf den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung, bereits sehr klare Vorstellungen hatten, wurde die Ausschreibung in diesen angrenzenden Gebieten offener – auf der Ebene der Ideen – gehalten.

Letztlich fiel die Entscheidung auf den Entwurf von Roberto Kaiser und Philipp Kopp. Was gab den Ausschlag?

Seibold: Der Entwurf zeigt, dass sich die Verfasser sehr genau mit den Werten aber auch den Problemstellungen am Blautopf auseinandergesetzt haben. Die wichtigen Themen wurden sehr sensibel und verständig aufgegriffen, unterm Strich resultiert daraus ein behutsamer Umgang mit dem Quartier: keine Revolution, sondern eine Evolution.
Sicher hätte man auch Spektakuläreres machen können. Uns war aber ein bewahrender Umgang wichtig, welcher die Chancen, die bereits am Blautopf liegen, schärft. Ich denke hier zum Beispiel an eine direkte Zugänglichkeit zum Wasser oder die Steigerung der Aufenthaltsqualität durch wertige Materialien.

Lassen Sie uns noch einen Blick in die Zukunft wagen. Wo sehen Sie Herausforderungen in den kommenden Monaten?

Seibold: Wir haben ein großes Projekt vor uns, das jede Menge Arbeit mit sich bringt. Ich bin deshalb sehr dankbar, dass alle Beteiligten sich mit so viel Sachkompetenz, Leidenschaft und Durchhaltevermögen einbringen. Denn für diese Neugestaltung brauchen wir wirklich einen langen Atem, das ist nicht mal eben nebenher zu bewerkstelligen. Da bitte ich auch immer wieder um Geduld und Respekt vor dem Prozess. Denn es bedarf wirklich guten Nachdenkens und guter Planung, damit wir am Ende zufrieden sind.
Und nicht zu vergessen, muss man als Bürgermeister natürlich auch immer die Finanzen im Hinterkopf behalten. Zwar gibt es Unterstützung vom Land, aber wir brauchen auch eigene Ressourcen.

Abschließend möchten wir gern von Ihnen wissen: Worauf freuen Sie sich am meisten in Bezug auf das neue Areal?

Seibold: Ich erwarte mir zukünftig einen qualitätvollen Umgang mit dem Areal: Das ist momentan nicht in allen Belangen der Fall. Deshalb können wir momentan dem Naturwunder Blautopf nur eingeschränkt gerecht werden. Die Strahlkraft des Blautopfs geht im Moment nur von dem Mythos und der Quelle aus, das wird sich verändern. Die Strahlkraft wird dann auch von einem attraktiven Umfeld ausgehen. Und deshalb freue ich mich darauf, mich als Blaubeurer Bürger auf eine der neuen Treppenstufe zu setzen, mir die Quelle anzuschauen und zu sehen, wie sich alles entwickelt hat.

Vielen Dank an Bürgermeister Jörg Seibold für das Gespräch!

Wichtiger Hinweis: Das Interview wurde per Videocall geführt. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Interview dann für die schriftliche Version deutlich gekürzt und teilweise auch im Wortlaut – nicht jedoch im Sinn bzw. im Inhalt – verändert.

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